Beckenbodentraining – Kraft aus der Tiefe
- Yulia
- 12. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Apr.
Der Beckenboden ist eine Muskelgruppe, die uns durchs Leben trägt – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Obwohl er zentral für Haltung, Kontinenz und Wohlbefinden ist, wird er häufig übersehen. Dabei profitieren Frauen und Männer in jedem Alter von einem gezielten Beckenbodentraining: sei es in der Schwangerschaft, nach der Geburt, zur Vorbeugung von Inkontinenz oder zur Unterstützung der Körpermitte.
Was ist eigentlich der Beckenboden?
Der Beckenboden ist ein komplexes Muskel- und Bindegewebesystem, das das Becken nach unten abschließt. Er spannt sich wie ein Trampolin zwischen Schambein, Steißbein und Sitzbeinhöcker und stützt die inneren Organe Blase, Darm und – bei Frauen – zusätzliche die Gebärmutter. Die Muskulatur unterstützt die Atmung und stabilisiert die Wirbelsäule.
Zu den wichtigsten Muskeln des Beckenbodens gehören der Musculus pubococcygeus (PC-Muskel), der Musculus iliococcygeus und der Musculus puborectalis – gemeinsam auch als Levator-ani-Gruppe bezeichnet.
Diese Muskeln sorgen dafür, dass wir unsere Schließmuskeln kontrollieren können, unsere Haltung stabil bleibt und Druckverhältnisse im Bauchraum ausgeglichen werden. Trotz ihrer zentralen Bedeutung werden sie im Alltag oft übersehen – oder gar nicht erst wahrgenommen. Ein gesunder Beckenboden ist stark, elastisch und fein ansteuerbar – er kann sich bewusst anspannen, aber auch aktiv entspannen.

In der Schwangerschaft: Frühzeitige Stärkung schützt
Während der Schwangerschaft muss der Beckenboden deutlich mehr leisten. Das heranwachsende Kind, das Fruchtwasser und die wachsende Gebärmutter erhöhen den Druck nach unten. Gleichzeitig sorgen Hormone wie Relaxin dafür, dass das Bindegewebe weicher wird – eine wichtige Vorbereitung auf die Geburt, aber auch eine Herausforderung für die Stabilität. Ein gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur während der Schwangerschaft hilft, die Muskulatur funktional vorzubereiten – nicht mit dem Ziel, sie zu verspannen oder übermäßig zu kräftigen, sondern um sie gezielt wahrnehmen und ansteuern zu können. Gleichzeitig fördert es ein besseres Körperbewusstsein für die Beckenregion, was werdenden Müttern sowohl körperlich als auch mental mehr Sicherheit im Umgang mit den Veränderungen gibt. Viele Frauen berichten, dass sie durch ein bewusstes Beckenbodentraining Rückenschmerzen und das oft belastende Schweregefühl im Beckenbereich lindern konnten. Zudem leistet es bereits in dieser frühen Phase einen wichtigen Beitrag zur Vorbeugung späterer Inkontinenz. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es nicht um ein „hartes“ Training geht – vielmehr stehen Wahrnehmung, sanftes Aktivieren und ebenso bewusstes Entspannen im Mittelpunkt.
Beckenbodentraining in der Rückbildung – Fokus auf Senkung und Regeneration
Nach der Geburt ist der Beckenboden häufig geschwächt oder sogar überdehnt. In einigen Fällen kann es zu einer sogenannten Organsenkung kommen – dabei senken sich Gebärmutter, Blase oder Darm leicht ab, da das stützende Muskelgewebe nicht mehr ausreichend Halt gibt. Das kann zu einem Fremdkörpergefühl im Unterleib, einem Druck nach unten oder auch zu Blasen- und Darmproblemen führen.
Hier spielt das Beckenbodentraining eine zentrale Rolle in der Rückbildung:
es unterstützt die Regeneration des umliegenden Bindegewebes und unterstützt die Rückbildung der Gebärmutter
es verbessert die Haltung, was zusätzliche Druckbelastung reduziert, verbessert die Kontrolle über Blase und Darm,
es hilft, die Muskelschichten gezielt wieder aufzubauen, stärkt die Mitte und wirkt positiv auf die Bauchmuskulatur,
fördert das Selbstvertrauen im eigenen Körper
Studien belegen, dass regelmäßiges postnatales Training das Risiko einer bleibenden Senkung deutlich reduziert (z. B. Hagen & Stark, 2011).
Die Rückbildungsgymnastik – idealerweise unter professioneller Anleitung – sollte daher nicht nur auf allgemeine Kräftigung abzielen, sondern einen klaren Schwerpunkt auf die Aktivierung des Beckenbodens legen.
Die klassischen Rückbildungskurse, die von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, umfassen in der Regel maximal zehn Stunden. Diese zeitlich begrenzte Maßnahme ist ein wichtiger Einstieg, aber keinesfalls ausreichend, um die volle Funktionsfähigkeit der Beckenbodenmuskulatur nachhaltig wiederherzustellen – insbesondere, wenn während der Geburt stärkere Belastungen wie Geburtsverletzungen, Dammrisse oder Kaiserschnittnähte eine Rolle gespielt haben. Ein langfristiger Blick ist daher entscheidend. Der Beckenboden braucht – ähnlich wie andere Muskelgruppen – kontinuierliche und regelmäßige Aufmerksamkeit. Rückbildung ist kein Projekt, das mit einem Kurs abgeschlossen ist. Vielmehr bildet sie den Beginn eines bewussteren Körperkontakts, der im Idealfall in den Alltag integriert wird.
Der Rückbildungskurs in der YEP Lounge ist auf eine nachhaltige Kräftigung und bewusste Wahrnehmung des Beckenbodens ausgelegt – weit über die klassische Rückbildungszeit hinaus. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, das Training durch weiterführende Kurse wie Yoga und Pilates gezielt zu ergänzen und langfristig in den Alltag zu integrieren.
Nur so kann sich die Beckenbodenmuskulatur vollständig regenerieren, stabilisieren und ihre zentrale Rolle für Körperhaltung, Organgesundheit, Kontinenz und Wohlbefinden wieder aufnehmen. Auch Monate oder Jahre nach der Geburt kann ein gezielter Trainingsstart noch hilfreich sein!
Beckenbodengesundheit für Männer – oft unterschätzt
Auch Männer profitieren stark von einem trainierten Beckenboden. Dieser stützt bei ihnen nicht nur Blase und Darm, sondern spielt auch eine bedeutende Rolle für die intime Gesundheit. Dabei spielen zwei spezielle Muskeln, der Musculus bulbospongiosus und ischiocavernosus eine wichtige Rolle. Ein gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur kann Erektionsstörungen positiv beeinflussen, die Kontrolle über intime Funktionen verbessern und Inkontinenz nach Prostataoperationen vorbeugen.
Männer profitieren in jedem Alter – im Rahmen der Prävention, nach medizinischen Eingriffen und im fortgeschrittenen Lebensalter. Gezieltes Beckenbodentraining kann ein wichtiger Bestandteil der Therapie und Lebensqualität sein.
Im Laufe des Lebens: Starke Mitte auch im Alter - Inkontinenz wirksam vorbeugen
Im Alter nimmt die Muskelmasse natürlicherweise ab – auch im Beckenboden. Bei Frauen kommen oft hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren hinzu. Die Folge: eine schwächere Muskulatur, was zu Harnverlust, Senkungen oder Schmerzen führen kann. Regelmäßiges Training kann die Kontrolle über die Blase sichern, Organsenkungen vorbeugen und die Lebensqualität steigern – bis ins hohe Alter. Auch hier lohnt es sich, nicht erst bei Beschwerden aktiv zu werden.
Inkontinenz ist kein unausweichliches Schicksal, sondern in vielen Fällen vermeidbar. Der häufigste Grund für Harnverlust ist ein geschwächter oder nicht ausreichend trainierter Beckenboden. Das Training hilft bei:
Belastungsinkontinenz (z. B. bei Husten, Niesen, Laufen)
Dranginkontinenz (plötzlicher Harndrang)
Stressinkontinenz nach Geburt oder Operationen
Wer regelmäßig übt, kann Beschwerden deutlich verringern oder sogar ganz verhindern. Studien zeigen: Beckenbodentraining reduziert die Inkontinenzrate signifikant – sowohl bei Frauen als auch bei Männern.¹ ²
Weitere Vorteile: Haltung, Wahrnehmung, sexuelle Gesundheit
Der Beckenboden ist ein Kraftzentrum, das mit Atmung, Bauch und Rücken zusammenarbeitet. Wer ihn trainiert, verbessert automatisch Körperhaltung, die Tiefenmuskulatur und das Körperbewusstsein. Ein starker Beckenboden bedeutet auch eine bessere Durchblutung der Genitalien (z. B. Klitoris, Peniswurzel), intensive Empfindungen bei Intimität, mehr Kontrolle über Erektion und Ejakulation sowie eine stärkere Verbindung zum eigenen Körper. Diese Effekte betreffen alle Geschlechter – und machen Beckenbodentraining auch zur Ressource für Intimität und Selbstvertrauen.
Fazit
Ein starker Beckenboden verbessert Gesundheit, Haltung, Kontinenz und Lebensfreude. Wer regelmäßig trainiert, gewinnt an Stabilität – körperlich wie emotional. Beckenbodentraining ist einfach, wirkungsvoll und für jede Lebensphase geeignet.
Studien:
Dumoulin C, et al. (2018). Pelvic floor muscle training vs. no treatment for urinary incontinence in women. Cochrane Database Syst Rev.
Bø K, et al. (2015). Pelvic floor muscle training for men following prostate surgery: a systematic review. J Urol.